Deutschland
aus ethischen Gründen bisher nicht erlaubt ist.
Julians Mutter war in der 13. Woche schwanger, als
sie nach einer Chorionzottenbiopsie die
Hiobsbotschaft erhielt, daß ihr Kind an SCID (Severe
Combined Immuno-Deficiency) erkrankt war. Hierbei
fehlen Zellen der Immunabwehr, so daß ein banaler
Infekt lebensbedrohlich werden kann.
Aber es gibt eine Therapie, und zwar eine
Knochenmarktransplantation, die gelegentlich mit
einer aggressiven Chemotherapie kombiniert werden muß,
um das Knochenmark des erkrankten Kindes praktisch
auszuschalten. Die Heilungschancen werden - je nach
Spender - auf 60 bis 90 Prozent geschätzt. Das
Problem: Es ist eine sehr aufwendige Therapie, für
die zunächst ein geeigneter Knochenmarkspender
gefunden werden muß. Und es ist eine für Kind und
Eltern sehr belastende Behandlung.
Wie belastend eine solche Therapie sein kann, hat
Julians älterer Bruder, der ebenfalls mit dem
Immundefekt geboren wurde, zusammen mit den Eltern
am eigenen Leibe erfahren. "Wir haben unser
Kind praktisch dreimal sterben sehen",
schilderten die Eltern dem Pränatalmediziner
Professor Mannfred Hansmann von der Universitätsklinik
Bonn ihre Erlebnisse mit dem kranken Kind. Und weil
sie nicht noch einem weiteren Kind solche schlimmen
Qualen zumuten wollten, entschlossen sich die Eltern
zum Schwangerschaftsabbruch.
Und es wäre wahrscheinlich auch passiert, hätte
Hansmann nicht unverzüglich Kontakt mit Kollegen
vom Karolinska-Institut in Stockholm aufgenommen,
die eine Alternative zur Hand hatten: Sie boten den
Eltern von Julian eine Stammzelltransplantation im
Mutterleib an. Transplantiert werden sollten
kryokonservierte hämatopoetische Stammzellen von
der Leber eines Feten, die aus einer Zellbank
stammten. "So etwas ist bisher noch nicht
gemacht gemacht worden", sagte Hansmann zur
"Ärzte Zeitung".
Gegeben hat es bisher zwar schon acht weitere
Stammzelltransplantationen in utero. Aber die Zellen
stammten meist nicht von Feten, sondern von
Erwachsenen, die von der HLA-Typisierung her passend
waren. "Ein solches Verfahren wäre für Julian
nicht in Frage gekommen", so Hansmann. "Um
Stammzellen von Erwachsenen transferieren zu können,
braucht man manchmal viel Geduld, eben bis man einen
geeigneten Spender gefunden hat. Und es dauert
einige Zeit, bis man weiß, ob der Eingriff
erfolgreich war, oft weiß man es erst nach der
Geburt des Kindes. Diese Zeit hatten wir bei Julian
nicht. Wir mußten den Eltern möglichst rasch
mitteilen, ob wir Erfolg hatten. Andernfalls wollten
sie die Abtreibung."
Es gab jetzt nur noch eine Möglichkeit, das Kind zu
retten: eine fetale Stammzelltransplantation in
utero. Und genau das haben Professor Westgreen und
sein Team von der schwedischen Klinik gemacht. Es
wurden kryokonservierte, hämatopoetische
Stammzellen von einer Zellbank verwendet, die der
Leber eines Feten entnommen worden waren.
"Der Eingriff ist nicht mehr als eine uterine
Blutransfusion, so wie wir sie früher, also noch
vor Ende der 80er Jahr vorgenommen hatten",
sagte Hansmann. Die fetalen Stammzellen werden in
die freie Bauchhöhle des Kindes geleitet. Diese
werden über die Lymphbahnen in die Blutbahnen
aufgenommen.
Etwa zehn Wochen nach der Transplantation war klar:
Die Behandlung war erfolgreich. Hansmann: "Wir
konnten über eine Fetalblutanalyse Spender-T-Zellen
nachweisen. In weiteren Blutproben konnten wir
nachweisen, daß sich die Zahl dieser Zellen
vermehrte, das Transplantat war angegangen. Im April
1999 wurde Julian geboren, es ist ein gesunder
Junge."
SCID
Bei SCID - das Akronym steht für Severe
Combined Immuno-Deficiency - handelt es sich um
einen schweren Immundefekt. Dieser wird durch den
angeborenen Mangel an dem Enzym Adenosin-Desaminase
hervorgerufen. Es fehlen den daran erkrankten
Kindern Zellen der Immunabwehr, so daß bereits ein
ganz banaler Infekt zu einer lebensbedrohlichen
Krankheit für sie werden kann. SCID ist eine sehr
seltene, schwere Erbkrankheit, mit der ungefähr
eines von 50 000 bis 100 000 Kindern zur Welt kommt.
Quelle:
Ärztezeitung.de
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